Andrea Gerber berichtet über Praxis und Forschung bei Fachkongress in der Kulturhauptstadt Chemnitz
Weltweit suchen Städte nachhaltige Ansätze gegen die Folgen des Klimawandels und für eine bessere Lebensqualität. Naturbasierte Lösungen sind wegweisend, effektiv und gut umsetzbar. Sie nehmen die Natur als Vorbild und vernetzen ökologische Vorteile mit sozialen und ökonomischen. Auf einem Fachkongress im Juni in Chemnitz diskutierten etwa 150 Fachleute über ihre Erfahrungen.
Mit grüner Infrastruktur wappnen sich Städte nachhaltig für die Zukunft. Naturbasierte Lösungen sind dabei wichtige Elemente, sie steigern die Biodiversität auch in Städten. Hitzeperioden gefährden die Gesundheit, eine lebendige Stadtnatur kühlt um mehrere Grad Celsius, wie z. B. in Berlin. Das Schwammstadtkonzept hilft, Starkregen aufzufangen und vor Hochwasser zu schützen. Bei der naturbasierten Stadtentwicklung werden natürliche Ökosysteme und grüne Infrastrukturen in die Stadtgestaltung integriert.
Grüne Infrastruktur für lebenswerte Städte
Auf dem gemeinsamen Bundeskongress der grünen Fachverbände in der europäischen Kulturhauptstadt Chemnitz diskutierten die Teilnehmer über eine artenreiche Stadtnatur, die Bedeutung natürlicher Prozesse für die Stadtentwicklung und wie diese umgesetzt werden können. „Wir wollen lebenswerte Städte mit grüner Infrastruktur schaffen, und zwar für die Bürger“, betonte Rüdiger Dittmer, Präsident der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK).
Chemnitz als Kulturhauptstadt 2025 hat unter dem Motto „Stadt am Fluss“ bereits einige Projekte der ökologischen Umgestaltung umgesetzt. Bei Exkursionen bekamen die Teilnehmer einen beeindruckenden Einblick, zum Beispiel in Spiel und Freizeit im öffentlichen Raum und nachhaltige Waldentwicklung im Botanischen Garten und im Crimmitschauer Wald. Parkwälder und Waldparks haben in der Industriestadt Chemnitz eine lange Tradition.
Ein besonders gelungenes Beispiel für die Neugestaltung eines ehemaligen Bahngeländes ist der neue Pleißenbachpark. Der Bach, früher ein verbauter Graben, erhielt eine natürliche Gestalt mit naturnaher, artenreicher Bepflanzung, wie Florian Etterer vom Gartenbauamt zeigte. Im ehemaligen Gleisbett verlaufen neue Wege, in erhaltenen Gleisabschnitten blühen jetzt farbenfrohe Stauden, auf denen Bienen schwirren. Die Chemnitzer, und besonders die Kinder, nehmen das neue Flussbett sehr gut an und verbringen viel Zeit am Wasser – lebenswerte Stadt am Fluss eben.
Der Weg dahin war nicht einfach, wie Baubürgermeister Michael Stötzer zurückblickte. Doch die nachhaltige Wirkung des Projekts Kulturhauptstadt auf die grün-blaue Infrastruktur rechtfertigt die Anstrengung in seinen Augen unbedingt. Die EU-Mittel für die Kulturhauptstadt haben die Umsetzung der Pläne sehr erleichtert.
Biologische Vielfalt in der Stadt wiederherstellen
Mit der biologischen Vielfalt in der Stadt beschäftigt sich auch die Forschung, wie das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung in Leipzig. Der Gründungsdirektor, Professor Christian Wirth, untersucht, wie sich bestimmte Maßnahmen und Strukturen oder Flächen einfach ohne jeden Eingriff auf die Artenvielfalt auswirken.
Überraschend ist, dass in unberührten und ungestörten urbanen Bereichen zahlreiche Arten wieder einwandern, die als verschwunden galten.
Wie Städte, und besonders Gartenbauämter zusammen mit Gartenplanern, hier praktisch nachhelfen können, beschrieben Referent/innen aus Zürich, Ludwigsburg und Berlin. Mit einer artenreichen, standorttypischen Pflanzenvielfalt lässt sich die Grundlage für neue Stadtbiotope oder gar Wildnis legen.
Inzwischen unterstützt die KI das Messen und das Planen von Gestaltungsmaßnahmen, wenn es beispielsweise um Beschattung geht. Sie kann ein wichtiges Werkzeug zur Wiederherstellung der Natur werden. Die Wiederherstellungsverordnung der EU verpflichtet die Mitgliedsstaaten, Ökosysteme wiederherzustellen und den Biodiversitätsverlust zu bekämpfen.
Wenn auch oft noch alte Denkweisen vorherrschen, zeigen diese Positivbeispiele, wie eine fortschrittliche Stadtentwicklung die Natur in der Stadt zum Blühen bringt und damit entscheidend zur Klimaanpassung beiträgt.